top of page

Blogreihe: Tragende Säule – der Fesseltrageapparat beim Pferd, Teil 1 - Der Fesselträger

Aktualisiert: 5. Juni

Der Begriff „Fesselträger“ wird oft missverstanden oder eng gefasst. Viele denken dabei einfach an die Fessel oder das Fesselgelenk – doch fachlich umfasst der Fesselträger ein komplexes Band- und Sehnensystem, das eng mit dem Fesselgelenk, dem Fesselringband und den Gleichbeinen (Sesambeinen) zusammenarbeitet.



Blogreihe -Tragenede Säule der Fesseltrageapparat- Übersicht:

Teil1:

Der Fesselträger – Aufbau, Funktion & Belastung

Grundlagen: Anatomie des Fesselträgers, seine Rolle im Bewegungsapparat, Belastungsmechanik

Erkrankungen des Fesseltrageapparats & Prophylaxe

  • Weitere typische Erkrankungen (Fesselträgerentzündung, Risse, Arthrose)

  • Prävention & Tipps für den Alltag


Teil 2:

Sesambeine & Sesamoidose – kleine Knochen, große Bedeutung

  • Anatomie der Gleichbeine

  • Funktion im Fesseltrageapparat

  • Was passiert bei Sesamoidose?

  • Früherkennung, Symptome und Diagnostik


Teil 3:

Hufgesundheit & Hufstellung – das Fundament für gesunde Bewegung

  • Anatomie und Funktion des Hufs

  • Bedeutung der Durchblutung für die Huf- und Bein-Gesundheit

  • Einfluss der Hufstellung auf Belastung und Fesselträger

  • Pflegetipps und Korrekturen bei Fehlstellungen


Teil 4:

Training & Belastung – der richtige Umgang mit dem Fesseltrageapparat

  • Belastungsmanagement und Trainingsgestaltung

  • Risikofaktoren vermeiden, Regeneration unterstützen



Inhaltsverzeichnis


1. Begriffsklärung: Fessel, Fesselgelenk und Fesselträger

Einführung


Was beschreibt der Begriff „Fesselträger“ - Viele denken dabei einfach an die Fessel oder das Fesselgelenk – doch fachlich umfasst der Fesselträger ein komplexes Band das eng mit einem Sehnensystem zusammenarbeitet, sowie mit dem Fesselgelenk, dem Fesselringband und den Gleichbeinen (Sesambeinen).


• Fessel: Umgangssprachlich wird mit „Fessel“ oft der untere Teil des Pferdebeins bezeichnet – vor allem der Bereich um das Fesselgelenk und den Huf.

• Fesselgelenk (Articulatio metacarpophalangea bzw. metatarsophalangea):

Ein echtes Gelenk zwischen dem mittleren und unteren Röhrbein und dem Fesselbein, das dem Pferd Beugung und Streckung ermöglicht.

• Fesselringband (Annular ligamentum):

Ein starkes, ringförmiges Band oberhalb des Fesselgelenks, das die Beugesehnen (insbesondere die tiefe Beugesehne) eng am Knochen hält und ein „Abgleiten“ verhindert.

• Fesselträger ( Interosseus medius):

Eigentlich bezeichnet der Begriff „Fesselträger“ den Interosseus medius – eine kräftige Band- und Sehnenstruktur, die auf der Rückseite des Fesselgelenks verläuft und die Gleichbeine umschließt.

Er fungiert als wichtiges Feder- und Stützsystem für das Fesselgelenk.


Das gesamte Konstrukt: So hängen die Teile zusammen

1. Fesselgelenk

– Bewegliches Gelenk zwischen Kronbein und Fesselbein

– Ermöglicht Beugung und Streckung

2. Fesselringband

– Liegt knapp oberhalb des Fesselgelenks

– Hält die Beugesehnen fest am Knochen

3. Beugesehnen

– Tiefe Beugesehne (Tendo flexor digitalis profundus)

– Oberflächliche Beugesehne (Tendo flexor digitalis superficialis)

– Verlaufen entlang des Fesselträgers, über das Fesselgelenk und inserieren am Huf

4. Fesselträger (Interosseus medius)

– Liegt zwischen Beugesehnen und Fesselgelenk auf der Rückseite

– Umschließt die Gleichbeine und sorgt für Stabilität

– Wirkt als federndes Element

5. Gleichbeine (Sesambeine)

– Zwei kleine Knochen, medial und lateral am Fesselgelenk

– In die Äste des Fesselträgers eingebettet

– Dämpfen Kräfte und verteilen Lasten


Warum diese Unterscheidung wichtig ist:

• Wenn Pferdebesitzer von „Fessel“ sprechen, meinen sie oft das gesamte „untere Bein“ oder den Bereich um das Fesselgelenk.

• Der Fesselträger ist aber nur eine Komponente eines sehr komplexen Systems, das zusammenarbeitet, um Beweglichkeit und Stabilität zu garantieren.

• Fehlfunktionen oder Verletzungen in einem Teil (z. B. Fesselringband) können Auswirkungen auf den gesamten Apparat haben.



2. Funktion des Fesselträgers im Gesamtbild

• Stabilisierung: Verhindert Überstreckung und „Durchtreten“ des Fesselgelenks

• Elastizität: Speichert Energie beim Aufsetzen und gibt sie beim Abstoßen wieder frei

• Kraftumlenkung: Überträgt Zugkräfte der Beugesehnen effizient auf den Huf



3. Belastung & Beanspruchung

• Schnelle Bewegungen, harte Böden, falsche Hufstellung oder Überlastung können das empfindliche Gleichgewicht stören.

• Das gesamte System aus Fesselgelenk, Fesselringband, Beugesehnen und Fesselträger ist darauf angewiesen, dass alle Strukturen harmonisch funktionieren.

• Werden einzelne Komponenten geschwächt oder verletzt, kann es zu Lahmheiten oder chronischen Erkrankungen wie der Sesamoidose kommen.



4. Erkrankungen des Fesselträgers – was kann schiefgehen?

Wenn das Pferd plötzlich lahmt - Der Fesselträgerschaden

Der Fesselträger ist einer der am häufigsten verletzten Strukturen im Pferdebein. Ursachen sind meist Überlastung, unpassende Hufstellung, Bodenverhältnisse oder altersbedingte Veränderungen. Hier ein Überblick über die häufigsten Probleme:


Fesselträgerschäden allgemein

Ein Fesselträgerschaden bezeichnet Verletzungen, Entzündungen oder degenerative Veränderungen am M. interosseus medius, dem tragenden Band-Sehnen-Komplex zwischen dem Röhrbein und den Gleichbeinen. Aber oft sind auch umliegende Strukturen wie die Fesselträgeräste, das Fesselringband oder sogar die Beugesehnen mit betroffen.


Besonders tückisch: Viele Schäden entstehen schleichend – durch Fehlbelastung, Überlastung, falsche Hufstellung oder zu frühes intensives Training.

Die ersten Anzeichen sind oft subtil: Taktunreinheiten, Leistungseinbußen, Unlust oder minimale Schwellungen.

Ein unbehandelter Fesselträgerschaden kann zur chronischen Lahmheit führen.


Typische Symptome:

  • Taktfehler oder Unregelmäßigkeiten, besonders im Trab

  • Schwellung im Fesselbereich, meist ohne starke Wärme

  • Empfindlichkeit bei Druck auf die Äste des Fesselträgers

  • Probleme beim Wenden, Springen oder auf hartem Boden

  • Leistungseinbruch oder “plötzliche Faulheit”


Übersicht verschiedener Erkrankungen des Fesseltrageapparates

Fesselträgerentzündung (Desmitis)

  • Akut oder chronisch

  • Ursache: Überdehnung, falsche Belastung oder stumpfes Trauma

  • Symptome: Schwellung, Wärme, Lahmheit, oft schleichender Beginn

  • Gefahr: Bei chronischer Reizung kommt es zu bleibenden Schäden und eingeschränkter Funktion



Verletzung der Fesselträgeräste

  • Die lateralen Äste, die an den Gleichbeinen ansetzen, können sich entzünden oder sogar reißen

  • Besonders bei Spring- und Vielseitigkeitspferden ein häufiger Befund

  • Diagnostisch oft schwierig, da tief liegend



Einrisse oder Teilrupturen

  • Können schleichend verlaufen, besonders bei wiederkehrender Überlastung

  • In der Regel mit deutlicher Lahmheit verbunden

  • Je nach Lage: langwierige Heilung und eingeschränkte Prognose



Chronische Degeneration / Faserumbau

  • Vor allem bei älteren Pferden oder durch dauerhaft falsche Belastung

  • Struktur verliert Elastizität → Sehne wird „verhärtet“

  • Oft nur noch begrenzte Belastbarkeit möglich



Fesselringbandsyndrom

  • Das Fesselringband schnürt bei Sehnenverdickung oder Narbenbildung die Beugesehnen ein

  • Die Beugesehnen oder der Fesselträger bekommen zu wenig „Raum“ und werden gequetscht

  • Führt zu Bewegungseinschränkung, Schmerzen und chronischer Lahmheit



5. Früherkennung – worauf Pferdebesitzer achten sollten

Der Fesseltrageapparat ist sehr anpassungsfähig – deshalb zeigt ein Pferd Lahmheiten oft erst spät. Umso wichtiger ist es, subtile Veränderungen zu erkennen:


• Veränderte Bewegung: Kürzerer Schritt, Taktfehler, Zögern beim Abfußen

• Schwellung ( Gallen ) oder Asymmetrie über dem Fesselgelenk

• Empfindlichkeit auf Druck – z. B. bei leichtem Fingerdruck an den Fesselträgerästen

• Unwilligkeit beim Wenden oder Lastaufnahme auf einer bestimmten Hand

• Leistungsabfall oder “Unlust” beim Reiten, besonders in Wendungen, auf hartem Boden oder beim Springen



6. Was kannst du vorbeugend tun?

Durchdachtes, langsames Training

Warum: Sehnen und Bänder brauchen Zeit zur Anpassung – Überforderung durch zu schnelles, zu intensives oder einseitiges Training führt zu Mikrotraumen.


  • Aufwärm- und Abkühlphasen einhalten

  • Langsamer Trainingsaufbau, v. a. bei jungen oder wieder antrainierten Pferden

  • Viel Abwechslung: Gelände, Longieren, Dressur, Stangenarbeit – kein einseitiges Reiten

  • Konditionsarbeit im Schritt, z. B. bergauf oder im Wasser (Aqua-Training)



Gutes Management & Haltung

Warum: Pferde mit schwacher Muskulatur, zu wenig Bewegung oder dauerhaft schlechter Haltung entwickeln schneller Probleme im Fesselträger.


  • Tägliche, freie Bewegung auf gutem Boden (Paddock, Weide)

  • Stressfreies Umfeld – psychischer Stress wirkt sich muskulär aus

  • Ausgewogene Fütterung, insbesondere bei Jungpferden → keine Überversorgung mit Energie

  • Muskulatur aufbauen, vor allem am Rücken und der Hinterhand zur Entlastung der Vorhand



Bodenschonung & Reitplatzpflege

Warum: Zu harter, tiefer oder unebener Boden wirkt wie ein Verstärker auf die Belastung des Fesselträgers.


  • Gepflegter Reitboden: weder tief noch rutschig

  • Vermeidung von hartem Asphalt oder gefrorenen Böden bei Training

  • Bei Geländeausritten: Tempo und Wegbeschaffenheit anpassen


Regelmäßige Kontrolle & frühe Reaktion

Warum: Viele Fesselträgerschäden beginnen schleichend. Wer früh reagiert, verhindert oft chronische Schäden.


Bewegungsbeobachtung: kleine Taktunreinheiten, „Unlust“, Wendeschwierigkeiten ernst nehmen

  • Palpation: regelmäßig die Fesselregion auf Schwellungen, Wärme, Druckempfindlichkeit abtasten

  • Physiotherapeutische Checks: 2–4× im Jahr, um Verspannungen und Dysbalancen zu erkennen

  • Sattelkontrolle: Falsche Passform kann Haltung und Schub beeinflussen


Zusätzliche unterstützende Maßnahmen


  • Kühlung nach starker Belastung (z. B. nach Geländetraining, Springen)

  • Bandagen & Gamaschen mit Maß: nur gezielt einsetzen, nicht dauerhaft

  • Ergänzungsfutter für Bindegewebe (z. B. mit MSM, Kollagen, Omega-3) – in Rücksprache mit dem Tierarzt

  • Körperarbeit & Massage: fördern Durchblutung und Lymphfluss im Fesselbereich


Wichtig:

Fesselträger-Probleme entstehen selten isoliert. Meist wirken mehrere Risikofaktoren zusammen:

z. B. schlechte Hufstellung + zu intensives Training + harter Boden

Ziel der Prophylaxe ist deshalb ganzheitliches Management – regelmäßig beobachten, kleinste Hinweise ernst nehmen, Training anpassen, Hufe optimieren.


Alles weitere zur Hufstellung & Hufgesundheit in Bezug auf den Fesseltrageapparat findest du im künftigen 3.Teil der Blogreihe - Tragende Säulen

Fesselträger
7. Fazit

Der Fesselträger ist viel mehr als nur ein „Band“ – er ist Teil eines ausgeklügelten biomechanischen Systems, das das Pferdebein beweglich und stabil hält. Ein gutes Verständnis aller beteiligten Strukturen hilft dir, Probleme früh zu erkennen und deinem Pferd gezielt zu helfen.


Was folgt im nächsten Teil?

In dem weiteren Blogbeitrag erklären wir genau:

📌 Teil 2 – Sesambeine & Sesamoidose:

Warum die kleinen Gleichbeine oft miterkranken, wie man Sesamoidose erkennt und was man tun kann

Comments


Sprechen Sie mich an.
 

  • Whatsapp
  • Facebook
  • Instagram

Impuls MJ

Jessica Münch

In den Acht Morgen 13-15

68642 Bürstadt

01791191328

info@impulsmj.de

Vielen Dank für Ihre Nachricht!

c.hinterseher Wissen!
  • Whatsapp
  • Instagram
  • Facebook
Bundesverband zertifizierter Tierphysiotherapeuten e.V.

©2022 Impuls MJ

bottom of page