Kreuzbandriss beim Hund: Ursachen, Vorsorge & Nachsorge aus physiotherapeutischer Sicht
- Jessica Münch

- 28. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Ein Kreuzbandriss gehört zu den häufigsten orthopädischen Verletzungen beim Hund und leider auch zu den schmerzhaftesten.
Als Hundephysiotherapeutin sehe ich regelmäßig Hunde, die nach einer solchen Verletzung oder Operation wieder auf die Beine gebracht werden müssen. Doch viele Fälle ließen sich durch gezielte Vorsorge und Aufklärung vermeiden.
In diesem Beitrag erfährst du:
was beim Kreuzbandriss im Knie passiert,
welche Hunde besonders gefährdet sind,
welche OP-Methoden es gibt,
und wie du durch Physiotherapie zur Heilung beitragen kannst.
Was passiert beim Kreuzbandriss?
Im Kniegelenk (Stifle) des Hundes verlaufen – wie beim Menschen – zwei Kreuzbänder: das vordere (craniale) und das hintere (caudale) Kreuzband.
Das vordere Kreuzband stabilisiert das Gelenk und verhindert, dass das Schienbein (Tibia) nach vorne gleitet.
Wenn dieses Band reißt oder überdehnt, verliert das Knie an Stabilität. Das führt zu Schmerzen, Lahmheit und einer ungleichen Belastung des Gelenks – was unbehandelt zu Arthrose führt.
Diese Hunde sind besonders häufig betroffen
Ein Kreuzbandriss kann grundsätzlich jeden Hund treffen – vom sportlichen Border Collie bis zum gemütlichen Familienhund.
Allerdings sind bestimmte Rassen und Körperbautypen deutlich anfälliger.
Risikogruppen:
Mittlere bis große Rassen (20–50 kg)
Übergewichtige Hunde
Hunde mit steiler Hinterhand oder X-Beinstellung
Typisch betroffene Rassen:
Labrador Retriever
Golden Retriever
Berner Sennenhund
Boxer
Staffordshire Terrier
Rottweiler
Akita / Shiba Inu
Border Collie
Neufundländer
Auch kleinere Rassen (z. B. Jack Russell Terrier, West Highland White Terrier) können betroffen sein, aber meist durch ein Trauma oder falsche Bewegung.
Symptome – woran du einen Kreuzbandriss erkennst
Plötzliche Lahmheit oder Nichtbelasten eines Hinterbeins
Schmerz beim Treppensteigen, Springen oder Hinsetzen
Schwellung und Wärme im Kniegelenk
„Nachhinken“ nach Ruhephasen
Muskelabbau am betroffenen Bein bei längerem Verlauf
Tipp: Bei Verdacht sollte immer ein Tierarzt zur genauen Diagnose (inkl. Schubladentest und Röntgen) aufgesucht werden.
OP-Verfahren beim Kreuzbandriss
Es gibt mehrere chirurgische Verfahren, um das Knie nach einem Kreuzbandriss zu stabilisieren. Die Wahl hängt ab von Größe, Gewicht, Aktivität und Gelenkform des Hundes.
Hier ein Überblick über die wichtigsten Methoden:
1. TPLO (Tibial Plateau Leveling Osteotomy)
Bei der TPLO wird das Schienbein (Tibia) operativ umgeformt, um den Neigungswinkel der Gelenkfläche zu verändern.
Dadurch wird die Schubbewegung im Knie verhindert – das Kreuzband wird sozusagen „überflüssig“.
Vorteile:
Sehr stabil, besonders für aktive und große Hunde
Schnellerer Belastungsaufbau möglich
Nachteile:
Aufwändiger Eingriff mit Knochenschnitt
Höhere Kosten und längere Heilungsphase
2. TTA (Tibial Tuberosity Advancement)
Hierbei wird der Ansatz der Patellarsehne (am Schienbein) nach vorne versetzt. Dadurch verändert sich die Kraftlinie im Knie – ebenfalls mit dem Ziel, die Schubbewegung zu eliminieren.
Vorteile:
Gute Stabilität bei sportlichen Hunden
Weniger Veränderung der Knochenform als bei TPLO
Nachteile:
Metallimplantate notwendig
Nicht für alle Knieformen geeignet
3.TTO (Triple Tibial Osteotomy)
Eine Kombination aus TPLO und TTA – wird eher selten angewandt, kann aber bei bestimmten anatomischen Bedingungen sinnvoll sein.
Neben den bekannten Verfahren wie TPLO oder TTA kommen auch extrakapsuläre Stabilisierungsmethoden zum Einsatz. Diese sind besonders bei kleinen bis mittelgroßen Hunden beliebt – oder wenn andere Operationsverfahren nicht möglich sind.
4.Extrakapsuläre Stabilisierung (z. B. Flo-Technik)
Bei dieser Methode wird das instabile Kniegelenk außerhalb der Gelenkkapsel stabilisiert.
Ein robuster Faden oder eine synthetische Schlinge (meist aus Nylon oder Polypropylen) wird entlang des natürlichen Verlaufs des vorderen Kreuzbands gelegt und fixiert. Dadurch wird das Schienbein am Vorschieben gehindert, bis der Körper durch Narbenbildung selbst für ausreichend Stabilität sorgt.
Diese Technik ist bewährt und sicher, vor allem für kleinere oder weniger aktive Hunde.
Sie zielt auf eine mechanische Stabilisierung ab – das Gelenk wird ruhiggestellt, damit das Gewebe in Ruhe heilen kann.
5.Zlig®- oder Vetlig®-Methode – die moderne Weiterentwicklung
Die Zlig®-Methode (früher „Vetlig®“) verfolgt ein ähnliches Ziel, nutzt aber ein biologisch aktives Konzept.
Anstelle eines Nylonfadens wird hier ein biologisch abbaubarer, elastischer Faserstrang eingesetzt, der das Kreuzband funktionell ersetzt.
Das Implantat wird im Inneren des Gelenks (intraartikulär) mit speziellen Knochenankern befestigt und ahmt die natürliche Elastizität des Kreuzbands nach.
Während der Heilungsphase baut der Körper das Material langsam ab und ersetzt es durch körpereigenes Bindegewebe – also eine Art „biologische Rekonstruktion“ des Kreuzbands.
Diese Methode eignet sich besonders für mittelgroße bis große Hunde oder sehr aktive Tiere, bei denen eine funktionelle Stabilität wichtig ist.
Physiotherapeutische Nachsorge: der Schlüssel zur Heilung
Egal, welches Verfahren gewählt wurde:
Physiotherapie ist entscheidend, um Schmerzen zu lindern, Beweglichkeit zu erhalten und Muskulatur gezielt wieder aufzubauen.
Frühphase (1.–3. Woche nach OP)
Schonung, kontrollierte Leinenführigkeit
Kühlende & Entzündungshemmende Anwendungen:
Laser-, Farblicht- oder Kryotherapie
sanfte Massage zur Schmerzlinderung
Passive Bewegungsübungen (Mobilisation)
Aufbauphase (4.–8. Woche)
Muskelaufbauübungen (z. B. Gewichtverlagerung, Sit-to-Stand)
Gleichgewichtstraining auf instabilen Unterlagen
Ggf.
Laufbandtraining oder Unterwasserlaufband
Spätphase (ab 9. Woche)
Gezieltes Krafttraining für Hinterhand & Rumpf
Koordinations- und propriozeptives Training
Rückkehr zur normalen Aktivität
Wichtig: Nach dem ersten Kreuzbandriss besteht ein erhöhtes Risiko für einen Riss am anderen Bein, daher ist beidseitiges Muskeltraining Pflicht!
Fazit
Ein Kreuzbandriss ist eine ernsthafte, aber gut behandelbare Verletzung.
Mit frühzeitiger Diagnose, der passenden OP-Methode und einer individuell angepassten Physiotherapie kann dein Hund wieder ein völlig normales, schmerzfreies Leben führen.
Vorbeugen ist dennoch der beste Schutz:
Starke Muskeln, gesunde Gelenke und angepasste Bewegung sind die beste Versicherung gegen Kreuzbandprobleme.
Tipp für Hundebesitzer:
Wenn du dir unsicher bist, ob dein Hund richtig läuft, oder du frühzeitig etwas für seine Gelenke tun möchtest, lass ihn regelmäßig physiotherapeutisch durchchecken.
Oft erkennt man erste Anzeichen einer Fehlbelastung, bevor es zum Riss kommt.
Impuls MJ – Mobile Tierphysiotherapie | Jessica Münch
Dein Hund hat sich das Kreuzband gerissen oder wurde bereits operiert?
Dann ist jetzt die richtige Zeit, um mit der physiotherapeutischen Nachsorge zu beginnen.
Durch gezieltes Training, Muskelaufbau und schmerzlindernde Techniken unterstütze ich deinen Hund dabei,
sicher wieder auf vier Pfoten zu stehen,
Fehlbelastungen zu vermeiden,
und das gesunde Knie zu schützen.
!Jeder Tag ohne gezielte Bewegungstherapie kostet Muskulatur und Beweglichkeit.
Warte also nicht zu lange, je früher du beginnst, desto besser sind die Heilungschancen.
Ich begleite dich und deinen Hund individuell, direkt bei euch zu Hause oder im gewohnten Umfeld.
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