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Muskelerkrankungen beim Pferd Teil 3: Equines Metabolisches Syndrom (EMS), Cushing Pituitary Pars Intermedia Dysfunction (PPID) - Wenn der Stoffwechsel die Muskulatur beeinflusst

Aktualisiert: 5. Juni


Muskuläre Probleme beim Pferd haben viele Gesichter – und nicht immer liegt die Ursache direkt im Muskel. Auch der Stoffwechsel spielt eine zentrale Rolle für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Muskulatur. In diesem dritten Teil meiner Blogreihe schauen wir uns an, welche Stoffwechselerkrankungen die Muskulatur beeinflussen können, wie man sie erkennt und warum eine ganzheitliche Betrachtung oft entscheidend ist.


Inhaltsverzeichnis


8. Fazit



1. Was ist „Stoffwechsel“ eigentlich?

Der Stoffwechsel (auch Metabolismus) umfasst alle biochemischen Prozesse im Körper, die dem Erhalt, der Energiegewinnung und der Regulation dienen. Einfach gesagt: Der Stoffwechsel sorgt dafür, dass das, was dein Pferd frisst, aufgespalten, verwertet, umgebaut und ausgeschieden wird.


Er lässt sich unterteilen in:

Katabolismus (Abbau): Abbau von Nährstoffen zur Energiegewinnung

Anabolismus (Aufbau): Aufbau von Körpersubstanz, z. B. Muskeln, Gewebe, Enzyme


Diese Prozesse laufen rund um die Uhr – auch im Ruhezustand!



2. So funktioniert der Stoffwechsel beim Pferd

Damit der Stoffwechsel reibungslos läuft, braucht es:


Verdauungssystem: Um Futterstoffe in verwertbare Bausteine (z. B. Glukose, Fettsäuren, Aminosäuren) zu zerlegen

Blut und Lymphe: Zum Transport der Nährstoffe und Hormone

Leber und Niere: Für Entgiftung und Ausscheidung

Hormone (v. a. Insulin, Cortisol, Schilddrüsenhormone): Regulieren Energieaufnahme und -verbrauch

Zellen & Mitochondrien: Die eigentlichen „Reaktoren“ der Energieumwandlung


Nur wenn all diese Systeme gut zusammenspielen, kann der Körper effizient arbeiten – besonders die Muskulatur.


3. Stoffwechsel und Muskulatur – wie hängt das zusammen?

Die Muskulatur ist ein hochaktives Stoffwechselorgan:

• Sie benötigt ständig Energie – sowohl im Training als auch in der Regeneration

• Die Energiequellen: Glukose (aus Kohlenhydraten), Fettsäuren und in Ausnahmefällen auch Aminosäuren

• Die Mitochondrien in den Muskelzellen setzen daraus ATP (Energie) frei


Bei Störungen im Stoffwechsel (z. B. Insulinresistenz, Mangel an Mikronährstoffen oder Gendefekten) können Muskelzellen nicht mehr ausreichend Energie gewinnen → das führt zu Muskelabbau, Schwäche, Verspannungen oder sogar Entzündungen.


Was hat der Stoffwechsel mit Muskeln zu tun?


Die Muskulatur ist auf eine stabile Versorgung mit Energie, Elektrolyten und Hormonen angewiesen. Gerät dieser fein abgestimmte Kreislauf aus dem Gleichgewicht – etwa durch Hormonstörungen, Entgleisungen im Zuckerstoffwechsel oder Mineralstoffmangel – kann das direkte Auswirkungen auf Kraft, Beweglichkeit und Regeneration der Muskulatur haben.



Wie funktioniert der Muskelstoffwechsel beim Pferd?


Der Muskelstoffwechsel beschreibt alle Prozesse, mit denen Muskelzellen Energie gewinnen, um sich zusammenzuziehen, zu entspannen und ihre Arbeit zu verrichten. Für Pferde ist ein effizienter Muskelstoffwechsel essenziell – egal ob im Training, beim Weidegang oder im Alltag.



Die wichtigsten Energiequellen:


  1. Kohlenhydrate (Glykogen und Glukose):


    • Glykogen ist die gespeicherte Form von Glukose in Muskeln und Leber.

    • Wird bei Bedarf schnell zu Glukose abgebaut und dann in den Muskelzellen zur Energiegewinnung genutzt.

    • Besonders wichtig für schnelle und intensive Belastungen (z. B. Sprint).


  2. Fette (Fettsäuren):


    • Hauptenergiequelle bei länger andauernder, moderater Belastung.

    • Fette werden in den Muskelzellen in den Mitochondrien (Kraftwerke der Zelle) verbrannt.

    • Erzeugt viel Energie, aber langsamer als Kohlenhydrate.


  3. Proteine (Aminosäuren):


    • Werden nur im Notfall als Energiequelle genutzt.

    • Wichtig für den Muskelaufbau und die Reparatur.



Wie läuft die Energieproduktion ab?


  • Aerobe Energiegewinnung (mit Sauerstoff):


    • Kohlenhydrate und Fette werden in den Mitochondrien verbrannt.

    • Hier entsteht viel Energie (ATP), die den Muskel mit Kraft versorgt.

    • Diese Art der Energiegewinnung ist effizient, aber braucht Sauerstoff.

    • Wichtig für Ausdauer und langanhaltende Belastungen.


  • Anaerobe Energiegewinnung (ohne Sauerstoff):


    • Wird bei sehr intensiven, schnellen Belastungen aktiviert, wenn nicht genug Sauerstoff vorhanden ist.

    • Glykogen wird schnell zu Milchsäure (Laktat) abgebaut.

    • Die Energie entsteht rasch, aber Milchsäure kann die Muskeln übersäuern und ermüden lassen.


4. Typische Stoffwechselerkrankungen mit Muskelbeteiligung
  1. PSSM (Typ 1 & 2)(Teil 2 - Mukselerkrankungen beim Pferd):

    → Fehlerhafte Glykogenverarbeitung im Muskel

    → Energieversorgung der Muskeln ist gestört


    EMS (Equines Metabolisches Syndrom):

    → Insulinresistenz → Zellen nehmen kaum noch Glukose auf

    → Muskulatur kann “verhungern”, obwohl Energie vorhanden ist

    → Folge: träge Bewegungen, verspannte Rückenmuskulatur

    Typisch für: übergewichtige Pferde, leichtfuttrige Rassen

    Muskelauswirkungen:

    Schlechter Muskelaufbau trotz Training

    Muskelverspannungen durch Energiemangel

    Erhöhtes Risiko für: Entzündungsprozesse im Gewebe

    Wichtig: Auch sportlich wirkende Pferde können “verstecktes EMS” haben – v. a. bei lokalem Fettansatz (z. B. Mähnenkamm, Schulter).


    Cushing (PPID):

    → Hormonelle Fehlsteuerung durch Tumor an der Hirnanhangsdrüse

    → Chronisch erhöhter Cortisolspiegel schwächt Muskulatur und Immunsystem

    → Muskelabbau – vor allem an der Kruppe und Rückenlinie

    Typisch für: ältere Pferde ab ca. 15 Jahren

    Muskelauswirkungen:

    Rückbildung der Rückenmuskulatur

    Muskelschwäche und Leistungseinbruch

    Langsame Erholung nach Belastung

    Tipp:

    Ein schleichender Muskelabbau kann das erste sichtbare Symptom sein – oft noch vor dem typischen langen Fell oder den Hufreheerkrankungen.


    Mangelversorgung (Magnesium, Selen, Vitamin E):

    → Nerv-Muskel-Reizweiterleitung gestört

    → Symptome: Zittern, Steifheit, Muskelkrämpfe



Elektrolytstörungen


  • Typisch für: stark schwitzende Pferde, unausgewogene Fütterung

  • Ursache: Mangel an Natrium, Kalium, Magnesium oder Kalzium

  • Muskelauswirkungen:


    • Muskelzittern und -krämpfe

    • Festliegen nach Belastung

    • Müdigkeit und „weiche“ Muskulatur


Wichtig: Elektrolytmangel kann auch latent bestehen – z. B. bei Pferden, die viel trainieren, aber zu wenig salzhaltiges Futter bekommen.



Mitochondriale Funktionsstörungen


  • Typisch für: sportlich eingesetzte Pferde oder genetische Prädisposition

  • Ursache: Störung in der zellulären Energiegewinnung

  • Muskelauswirkungen:

    • Schnelle Ermüdung unter dem Sattel

    • Muskelschwäche trotz Training

    • Rhabdomyolyse-ähnliche Symptome bei geringer Belastung


Hinweis: Diese Störung ist schwer zu diagnostizieren und erfordert eine spezialisierte Untersuchung (z. B. Muskelbiopsie).



Schilddrüsenunterfunktion (selten)


  • Mögliche Auslöser: Medikamente, Mangelernährung, andere Erkrankungen

  • Muskelauswirkungen:


    • Träger Bewegungsablauf

    • Muskelschwäche

    • Antriebsarmut


Achtung: Hypothyreose ist beim Pferd sehr selten – oft sind die Symptome Folge anderer, übergeordneter Probleme.


Wann sollte man an den Stoffwechsel denken?


Einige Hinweise, dass die Muskulatur nicht allein das Problem ist:


  • Muskelprobleme treten trotz gutem Training auf

  • Futterumstellungen zeigen keine Wirkung

  • Symptome kommen schleichend oder phasenweise wieder

  • Das Pferd hat gleichzeitig Probleme mit Gewicht, Fellwechsel oder Hufen

.

5. Equines Metabolisches Syndrom (EMS)

Das Equine Metabolische Syndrom ist eine komplexe Stoffwechselstörung, die bei Pferden – vor allem bei leichtfuttrigen Rassen wie Ponys, Arabern oder Kaltblütern – häufig auftritt. Es wird oft als „Pferde-Diabetes“ bezeichnet, da es durch eine gestörte Glukoseverwertung gekennzeichnet ist.


Was passiert bei EMS?


Bei EMS reagieren die Zellen des Körpers nur noch eingeschränkt auf das Hormon Insulin, das normalerweise den Zucker (Glukose) aus dem Blut in die Zellen schleust. Diese sogenannte Insulinresistenz führt dazu, dass der Zucker im Blut bleibt, statt für Energie oder Muskelarbeit zur Verfügung zu stehen.


Folgen:


  • Der Körper produziert immer mehr Insulin, was den Hormonhaushalt aus dem Gleichgewicht bringt

  • Fettdepots – v. a. am Mähnenkamm, Schulterblatt, Schweifrübe – nehmen zu

  • Es kann zu Entgleisungen im Muskelstoffwechsel kommen: Muskeln „verhungern“ auf Zellebene, obwohl Energie im Blut vorhanden wäre

  • Gleichzeitig steigt das Risiko für Hufrehe, da die Blutgefäße in den Hufen durch das Insulin geschädigt werden



Muskuläre Symptome bei EMS:


  • Trägheit und Bewegungsunlust

  • Rückenschmerzen oder Muskelverspannungen

  • Unzureichender Muskelaufbau trotz Training

  • Unausbalanciertes Gangbild, oft mit „Schlurfen“ der Hinterbeine



Was hilft bei EMS?


  • Eine angepasste Fütterung mit wenig Zucker und Stärke, idealerweise analysiert

  • Bewegungstherapie, um die Insulinsensitivität wieder zu erhöhen

  • Kontrolle des Körpergewichts (Abnehmen ist zentral!)

  • Gezielte Versorgung mit Mikronährstoffen wie Magnesium, Zink, Selen




6. Cushing (PPID – Pituitary Pars Intermedia Dysfunction)

Früher als „Cushing“ bekannt, lautet der korrekte Name dieser Erkrankung heute PPID – eine hormonelle Störung, die durch Veränderungen an der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) entsteht.


Was passiert bei PPID?


Durch eine gutartige Wucherung oder Überaktivität der Hypophyse wird die Produktion des Hormons ACTH gesteigert. Dieses wirkt auf die Nebennierenrinde, die daraufhin übermäßig Cortisol ausschüttet – das sogenannte „Stresshormon“.


Folgen im Körper:


  • Der Körper steht chronisch unter „Stressmodus“

  • Es kommt zu einer Störung des Zucker- und Fettstoffwechsels

  • Das Immunsystem wird geschwächt

  • Der Muskelabbau wird beschleunigt (v. a. Rücken, Kruppe, Schulter)



Klinische Symptome bei PPID:


  • Muskelabbau trotz normaler Fütterung

  • Hängebauch, eingefallene Rückenlinie

  • Lange, lockige Fellstruktur (Hypertrichose), Fellwechselprobleme

  • Lethargie, Bewegungsunlust

  • Schwitzen ohne erkennbare Belastung

  • Wiederkehrende Hufrehe

  • Infektanfälligkeit, z. B. Zahnfleischentzündungen oder Hautprobleme



Muskelrelevante Auswirkungen:


  • Muskelschwäche führt oft zu Koordinationsproblemen

  • Unrittigkeit oder Sattelunlust durch Verspannungen

  • Muskelabbau kann schleichend sein, aber deutlich spürbar im Reiten



Behandlung und Management:


  • Medikamentöse Behandlung

  • Zuckerarme Fütterung zur Stabilisierung des Insulinspiegels

  • Schonendes Bewegungstraining zur Erhaltung der Muskulatur

  • Unterstützung mit hochwertigen Aminosäuren und Vitamin E

  • Regelmäßige Blutkontrollen zur Überwachung von ACTH, Insulin & Co.


7. Was du als Pferdebesitzer:in tun kannst – den Stoffwechsel gezielt unterstützen

Der Stoffwechsel deines Pferdes ist wie ein Uhrwerk – fein aufeinander abgestimmte Abläufe sorgen dafür, dass Energie bereitgestellt, Nährstoffe verwertet und Muskeln versorgt werden. Gerät dieses System ins Wanken, zeigt sich das oft zuerst in der Muskulatur: durch Verspannungen, Abbau oder plötzliche Leistungseinbrüche.


Das Gute ist: Du kannst aktiv Einfluss nehmen.

Hier sind die wichtigsten Stellschrauben, die in deiner Hand liegen:


Fütterung optimieren – weniger ist oft mehr


  • Raufutter vor Kraftfutter: Eine bedarfsgerechte Versorgung mit strukturiertem Heu (mind. 1,5 kg je 100 kg Körpergewicht) ist die Basis eines gesunden Stoffwechsels.

  • Zucker- und stärkearm füttern: Besonders wichtig bei PSSM, EMS oder Insulinresistenz – vermeide energiereiche Müslis und Getreide.

  • Individuelle Mineralstoffgabe: Blut- oder Heuanalyse helfen, gezielt zu supplementieren (z. B. Magnesium, Selen, Zink, Vitamin E).

  • Fütterung an den Trainingszustand anpassen: Ein Pferd im Ruhestand braucht andere Energiemengen als ein Sportpferd – Überversorgung kann Stoffwechsel und Leber belasten.



Bewegung ist Medizin


  • Regelmäßige, angepasste Bewegung aktiviert den Muskelstoffwechsel, fördert die Insulinsensitivität und beugt Verfettung vor.

  • Auch Pferde mit chronischen Erkrankungen profitieren von kontrollierter Arbeit – lieber täglich 20 Minuten sinnvoll, als einmal pro Woche intensiv.

  • Spaziergänge, Bodenarbeit, Cavaletti oder lockeres Reiten – Hauptsache: regelmäßig und mit Blick auf das Pferd.



Körperzustand im Blick behalten


  • Übergewicht ist ein Risikofaktor für viele Stoffwechselstörungen – achte auf eine gesunde Silhouette:

    • Rippen sollten tastbar, aber nicht sichtbar sein

    • Keine ausgeprägten Fettpolster an Schweifrübe, Schulter oder Mähnenkamm


  • Nutze regelmäßig eine Gewichtskontrolle mit Maßband und protokolliere Veränderungen



Frühzeitig testen und beobachten


  • Lass bei auffälligem Verhalten, Muskelproblemen oder Leistungsabfall den Blutwertstatus kontrollieren (v. a. Leberwerte, CPK, Selen, Vitamin E, Insulin)

  • Bei Muskelerkrankungen im Bestand oder spezifischen Symptomen: Gentest auf PSSM1 oder HYPP nicht scheuen – Wissen schafft Klarheit

  • Beobachte dein Pferd im Alltag: Kleine Veränderungen im Gangbild, in der Muskelspannung oder im Verhalten können erste Warnzeichen sein



Stress reduzieren – Ruhe ist Muskelregeneration


  • Dauerstress (durch Haltung, Management, soziale Konflikte) wirkt sich negativ auf den Cortisolspiegel und damit den gesamten Stoffwechsel aus

  • Achte auf:

    • feste Fütterungszeiten

    • stabile Herdenstruktur

    • ruhige Trainingsumgebung

    • stressfreie Transporte und Tierarztbesuche



8. Fazit: Muskelgesundheit braucht mehr als nur Training

Du musst kein Tierarzt sein, um den Stoffwechsel deines Pferdes positiv zu beeinflussen – mit Wissen, Achtsamkeit und Konsequenz kannst du viel bewirken.


Wenn die Muskulatur streikt, muss man auch über den Tellerrand schauen. Der Stoffwechsel hat erheblichen Einfluss auf die Muskelkraft, Regeneration und Leistungsfähigkeit deines Pferdes. Eine gründliche Diagnose und ein durchdachtes Management – inklusive Fütterung, Bewegung und ggf. medikamentöser Unterstützung – sind der Schlüssel zu mehr Wohlbefinden und listungsfäher Muskeln.


Der nächste Teil (Teil 4) widmet sich dann gezielt den Themen seltener Muskelerkrankung unter anderem der Atypische Weidemyopathie, Myotonie und HYPP.


Noch nie davon gehört? Dann bleib aufjedenfall dran !


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